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Was ändert sich mit dem revidierten Versicherungsaufsichtsgesetz?

 

1. Einleitung

Am 1. Januar 2024 tritt das überarbeitete Versicherungsaufsichtsgesetz (nVAG) zusammen mit den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen in Kraft.

Für im Versicherungsbereich tätige Unternehmen bedeutet die Teilrevision des VAG und dazugehöriger Verordnungen, dass sie ihre interne Compliance bis zu Jahresbeginn 2024 an die neuen Anforderungen anzupassen haben und prüfen müssen, welche aufsichtsrechtlichen Pflichten für sie nun anwendbar sind.

Im Gegensatz zu Banken verfügen Versicherungsunternehmen nach dem geltenden VAG nicht über ein eigenständiges Sanierungsrecht. Schliesslich hat das Parlament auch entschieden, dass die Verhaltenspflichten des Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) nicht direkt auf Versicherungsunternehmen Anwendung finden, sondern diese direkt anlässlich einer Teilrevision ins nVAG aufgenommen werden sollten.

2. Welches sind die wichtigsten Änderungen?

2.1 Aufsichtserleichterungen

Es wird eine Kundenkategorisierung anhand des Schutzbedürfnisses der jeweiligen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer und damit verbunden Erleichterungen im Zusammenhang mit der Aufsicht eingeführt. Versicherungsunternehmen können von Aufsichtserleichterungen profitieren, wenn sie über innovative und zukunftsfähige Geschäftsmodelle verfügen oder ausschliesslich professionelle Versicherungsnehmerinnen und -nehmer betreuen. Des Weiteren können Versicherungsunternehmen oder Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler abhängig von den mit ihrem Geschäft verbundenen Risiken unter Wahrung des Versichertenschutzes ganz oder teilweise von der Aufsicht befreit werden.

 

2.2 Versicherungsvertrieb

Darüber hinaus werden die Bestimmungen zum Versicherungsvertrieb einer Überarbeitung unterzogen. Es werden daher analog zum FIDLEG Verhaltenspflichten für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler beim Vertrieb von Versicherungsprodukten, welche einen Anlagecharakter haben, angepasst. Beispielsweise muss ein Versicherungsvermittler, bevor er eine qualifizierte Lebensversicherung empfiehlt (Art. 39j nVAG), überprüfen, ob das Produkt angemessen für den jeweiligen Versicherungsnehmer ist und welche Kenntnisse und Erfahrungen dieser hat. Darüber hinaus muss der Versicherungsvermittler dokumentieren, welche qualifizierte Lebensversicherung abgeschlossen wurde, welche Kenntnisse und Erfahrungen der Versicherungsnehmer besitzt und dass eine Angemessenheitsprüfung durchgeführt wurde (Art. 39k nVAG). Ein ungebundener Versicherungsvermittler muss den Versicherungsnehmer über die Entschädigung informieren, die er von Dritten für die Erbringung seiner Dienstleistungen erhält. Es wird auch klargestellt, dass ein Versicherungsvermittler nicht gleichzeitig als gebundener und ungebundener Versicherungsvermittler tätig sein kann (Verbot der Doppeltätigkeit), da ein ungebundener Versicherungsvermittler eine Treuepflicht gegenüber den Versicherten hat.

2.3 Registrierungspflicht für ungebundene Versicherungsvermittler (VV)

Ungebundene Versicherungsvermittler, also Versicherungsvermittler, die nicht an ein Versicherungsunternehmen gebunden sind, müssen sich registrieren. Sie dürfen ihre Tätigkeit erst wieder aufnehmen nach erfolgreicher Registrierung (Art. 42 Abs. 1 nVAG).

Die Versicherungsvermittler müssen für die Registrierung gewisse Voraussetzungen erfüllen.  Sie müssen die genügende fachliche Qualifikation vorweisen können (Art. 184 AVO), persönliche Voraussetzungen erfüllen (Art. 185 AVO) und eine Berufshaftpflichtversicherung abschliessen oder eine gleichwertige finanzielle Sicherheit leisten (Art. 186 AVO).

Zudem gilt neu für alle Versicherungsvermittler eine Aus- und Weiterbildungspflicht.

2.4 Sanierungsrecht

Das zurzeit geltende Versicherungsrecht sieht kein spezielles Sanierungsrecht vor, das den Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts Rechnung trägt. Mangels dieser Regelungen kann die eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) nur «sichernde Massnahmen» anordnen, wenn ein Versicherungsunternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät und dadurch die Interessen der Versicherten gefährdet werden (siehe Art. 51 VAG). Die Gesetzesvorlage dient dazu, eine rechtliche Grundlage zu schaffen, die es ermöglicht, Versicherungsunternehmen im Falle einer Insolvenz zu sanieren, anstatt diese in Konkurs gehen zu lassen. Das Versicherungsunternehmen soll dabei so aufgestellt werden, dass eine auftretende finanzielle Notsituation überwunden und letztlich ein Versicherungskonkursverfahren vermieden werden kann. Die Schaffung der Möglichkeit zur Sanierung anstelle der Liquidation eines zahlungsunfähigen Versicherungsunternehmens, sofern dies zur Verkleinerung des Schadens für die Versicherten beiträgt, stärkt den Kundenschutz (Versichertenschutz) ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherer zu beeinträchtigen.

 

3. Kundenschutz basiertes Regulierungs- und Aufsichtskonzept

3.1 Zurzeit geltendes Recht

Das aktuelle VAG basiert im Wesentlichen auf einem einheitlichen sowie undifferenzierten Schutzbedürfnis der Versicherten. Es bedeutet, dass es aufsichtsrechtlich keine systematische Bewertung und Unterscheidung zwischen den verschiedenen Schutzbedürfnissen der Versicherten (einschliesslich Privatpersonen, kleinen und mittleren Unternehmen, Grosskunden und Erstversicherern) gibt. Dies hat wiederum zur Folge, dass keine Kategorisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen stattfindet. Die Unterscheidung bezüglich der Anwendbarkeit der Schutzbestimmungen des VAG wurde erst mit der Einführung der Regelung zur Rückversicherung eingeführt (Art. 35 VAG). Das geltende Recht differenziert daher nur zwischen Versicherern im Erstversicherungsgeschäft mit höherer Regulierungs- und Aufsichtsintensität und Versicherern im Rückversicherungsgeschäft mit niedrigerer Regulierungs- und Aufsichtsintensität.

3.2 Revision

Anhand der Revision soll für die Regulierungs- und Aufsichtsintensität gegenüber dem Versicherer nicht allein der Zweck seiner massgeblichen Versicherungsverhältnisse (Erst- oder Rückversicherung) ausschlaggebend sein, sondern vielmehr das Schutzbedürfnis seiner jeweiligen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer. Hierzu sollen verschiedene Kategorien von Versicherten definiert werden. Dies ermöglicht, die Erstversicherung mit tieferer Regulierungs- und Aufsichtsintensität zu betreiben, sofern sie ausschliesslich mit professionellen Versicherungsnehmern (beispielsweise Grosskunden) abgeschlossen wird. Wenn der Versicherer ausschliesslich professioneller Versicherungsnehmerinnen und -nehmer hat, entfallen beispielweise die Bestimmungen zur Sicherung der Ansprüche der Versicherten (sogenanntes gebundenes Vermögen). Hintergrund dieser neuen Regelung ist, dass professionelle Versicherungsnehmer bereits von sich aus angemessenen Sicherheitsmassnahmen ergreifen können. Ferner sind professionelle Versicherungsnehmerinnen und -nehmer in der Lage, ihre finanzielle Stabilität selbst zu bewerten und die Details eines einzugehenden Versicherungsvertrages zu beurteilen.

Um dem Schutzbedürfnis der Versicherten noch besser gerecht zu werden, gelten gemäss der neuen Regulierung nun erhöhte Anforderungen an die Versicherungsvermittlung und Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler u.a. gewisse Verhaltenspflichten berücksichtigen, welche an die Pflichten gemäss FIDLEG angelehnt sind.

 

4. Konsequenzen für Unternehmen

Die Revision des VAG ist mittlerweile beschlossene Sache. Sodann müssen sich alle Versicherungsvermittler fortan im Rahmen von Aus- und Weiterbildungen branchenspezifisch fortbilden. Folgendes ist zu berücksichtigen:

  • Registrierungspflicht für ungebundene VV (Art. 41 Abs. 1 nVAG)
  • Persönliche Voraussetzungen und guter Ruf (Art. 41 Abs. 2 lit. b VAG i.V.m. Art. 187 Aufsichtsverordnung (AVO))
  • Aus- und Weiterbildungspflicht (Art. 43 Abs. 1 und Art. 90a Abs. 4 nVAG)
  • Anforderungen an die Unternehmensführung (Mindeststandards bzgl. Corporate Governance) (Art. 188 AVO)
  • Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung (Art. 189 AVO)
  • Informationspflicht gegenüber Versicherungsnehmerinnen und -nehmer (Art. 45 nVAG)
  • Pflichten im Zusammenhang mit qualifizierten Lebensversicherungen (Art. 39h, 39j – 39k nVAG): Abgabe eines kostenlosen Basisinformationsblattes vor Vertragsabschluss; Prüfung der Angemessenheit der betreffenden Lebensversicherung für die betroffene Person; Dokumentation des Abschlusses einer solchen Lebensversicherung und darüber welche Kenntnisse und Erfahrungen der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers erhoben wurden.
  • Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten (Art. 45a VAG i.V.m. Art. 182c AVO)
  • Offenlegungspflicht der Entschädigungen für ungebundene VV (Art. 45b nVAG)
  • Berichterstattungspflicht für ungebundene VV gegenüber der FINMA (Art. 190b AVO)

 

Die Kanzlei LezziLegal unterstützt Sie gerne mit ihrer Expertise bei neuen Herausforderungen rund um das Versicherungs- und Versicherungsaufsichtsrecht und freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme, um mit Ihnen gemeinsam die beste Lösung zu finden.

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